Karsten Kruschel: Teufels Obliegenheiten, oder: Der gewaltsame Frieden


In einer Welt, in der der Zweite Weltkrieg ausgeblieben ist, steht von Hofstaetter kurz davor, mit seiner Firma DISQUE DUR den Durchbruch ins Informationszeitalter zu schaffen. Als ein Luftschiff, das seine neueste Erfindung transportieren soll, nicht am Zielort ankommt, vermutet er, dass eine der großen konkurrierenden Firmen ihm übel mitspielen will. Doch dann taucht ein mysteriöser Mann auf, der etwas Seltsames bei sich hat: einen weißen, eckigen Kasten, auf dem ein Apfel-Emblem aufleuchtet – wie aus einer anderen Zeit …

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Es war ein klirrend kalter Wintertag, an dem die weit entfernten Luftschiffe so deutlich zu sehen waren, als wären sie hinter der Silhouette des Krantores von einem detailversessenen Kupferstecher in den Himmel graviert worden. Aaron Chevalier von Hofstaetter nestelte tief in der rechten Tasche nach den Stellrädchen der Jackenheizung. Das Ding brauchte zehn Minuten, um auf Temperatur zu kommen. In dieser Zeit könnte er bei dem klirrend  kalten Wetter schon Frostbeulen haben.

Wo blieb der Dresdner Zeppelin heute so lange? Die Reichslufthansa war längst nicht mehr, was sie zu ihren Glanzzeiten dargestellt hatte. In diesem Punkt – und nur in diesem – stimmte Aaron von Hofstaetter dem Spectateur zu, wenn er auch in sonst jeder anderen Hinsicht mit dem Blatt konträr ging. Diese neue Regierung in Berlin mit ihren possierlichen Ideen hatte nicht nur das Kriegsministerium durcheinander gebracht, sondern obendrein die Reichslufthansa heruntergewirtschaftet. Nun ja; im Grunde genommen war diese Regierung hier auf dem Boden der Freien Hansestadt Danzig gar nicht zuständig.

Als hinten an der alten kaiserlichen Abfertigungshalle eine aufgeregte Menge auftauchte, begann der Chevalier zu ahnen, dass irgendetwas schiefgegangen sein musste.

Er zögerte kurz.

Das waren Menschen mit breiten Händen, ölverschmierten Arbeitshosen und dick wattierten Jacken, in denen es bestimmt keine eingebauten Heizungen gab. Niemand, mit dem sich ein von Hofstaetter abgeben mochte. Allerdings schien es bei dem Aufruhr, von dem einzelne auf Deutsch und zahlreiche auf Polnisch gerufene Sätze bis zu ihm drangen, um genau den Linienflug zu gehen, auf dem auch er ein Billett hatte. Er hielt es in der Hand: Danzig–Dresden, 1. 12. 2005, 11 Uhr 42. Ein Donnerstag. Man erwartete ihn in Dresden.

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Karsten Kruschel, geboren 1959, wuchs in Magdeburg auf und studierte dort auch Pädagogik, Germanistik und Geschichte. Er wurde Lehrer in Leipzig, promovierte dort und war längere Zeit Chefredakteur einer Zeitschrift. Seit 1979 veröffentlicht er Science-Fiction-Geschichten. Zwei seiner Romane wurden mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis als bester Roman des Jahres ausgezeichnet, eine seiner Erzählungen mit dem Kurd-Laßwitz-Preis. Heute ist er freier Schriftsteller und lebt in einem kleinen Ort in der Nähe von Leipzig.
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