Ralph C. Doege: Balkonstaat


Julia zog ihren Kopf zurück.
„Was tust du?“ fragte ich.
„Das nennt man ‚küssen’.“
„Das weiß ich“, ich war verwirrt. Von kleinauf hatte man uns beigebracht, dass körperlicher Kontakt unhygienisch sei. Ich sagte: „Geh zurück an deinen Bildschirm!“, aber sie lachte nur, zögerte einen Moment und setzte sich auf meinen Schoß. Ich lag regungslos auf der durchgelegenen Matratze. Sie zog die dünne Sommerdecke über unsere Köpfe, und dann küsste sie mich erneut. Ich versuchte auszuweichen und die Lippen nicht zu öffnen, gab aber schließlich dem Drängen ihrer Zunge nach. Ich spürte Julias raschen Herzschlag. Mir wurde ganz zittrig und heiß. Es erregte mich, etwas Verbotenes zu tun.

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© Ralph C. Doege wurde 1971 in der Nähe von Osnabrück geboren und
studierte in Leipzig. Seine Diplomarbeit schrieb er über Philip K. Dick.
Doege ist Verfasser von Essays und Erzählungen, die in verschiedenen
Magazinen und Anthologien veröffentlicht wurden, ergänzt durch einige
Übersetzungen seiner Erzählungen ins Englische. 2010 erschien sein
erster Erzählband mit dem Titel „Ende der Nacht“.
Zehn Jahre später dann: „YUME: Träumen in Tokio“
Dazwischen wurde u.a. sein Essay über Phantastische Literatur aus Japan
veröffentlicht.

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© Christopher Peters, am 05.12.1989 in Berlin geboren, interessierte sich schon früh für die Welt der Schauspielerei. Bereits als Kind zog es ihn in den 1990er Jahren als Darsteller in Laienproduktionen auf die Bühne. 2002 debütierte er in dem TV-Kurzfilm „Cottage Wars“. Es folgten diverse Auftritte im Kinder- und Jugendtheater.
Seit 2008 ist er in verschiedenen professionellen Kino-, TV- und Theaterproduktionen zu sehen. Im Jahr 2016 wurde er Mitglied des Berliner Hörspielensembles „DreamTeamer Hörspieler“ und ist seitdem auch sonst vermehrt als Sprecher tätig.
http://www.christopher-peters.de